Am Sonntagabend 22 Uhr klopft es an der Tür unseres Hauses.
Sr. Julie weist auf einen 8-jährigenPatienten mit Bauchschmerzen hin, der sich
im Emergency room befindet. 5 Tage kein Stuhlgang, Erbrechen vor 2 Tagen, recht
gespannter Bauch und Spiegel im Röntgenbild, eigentlich eine OP-Indikation wäre
nicht die schlechte Erfahrung vom Dienstag gewesen. Nachdem in der Nacht unter
Infusionstherapie, Magensonde und Abführmaßnahmen keine Besserung eintritt
erfolgt gegen 6.30 Uhr die Laparotomie. Die intraoperative Diagnose ist für
Afrika eher ungewöhnlich: Appendizits („Blinddarmentzündung“). Erschwerend
hinzukommend ist, dass der Befund durch einen Strang des Bauchfettnetzes
(Omentum majus) abgedeckt ist was in diesem Fall zur Verdrehung und Verschluss
des Darmes (Ileus) geführt hat. Nebenbefundlich finden sich erneut
Ascariswürmer im Dünndarm.
Es folgt die Entfernung eines großen und tiefgelegenen
Fettgewebstumors incl. Unterkieferspeicheldrüse rechts bei einem Fünfjährigen.
Die Gewebedifferenzierung (Aspekt eher gutartig) ist noch unklar. Der Versand
von Präparaten zur Gewebeuntersuchung durch einen Pathologen stellt hier die Ausnahme da, wohingegen in
unseren Breiten nahezu jedes Präparat eingesandt wird. Es fehlt natürlich die
therapeutische Konsequenz, da Chemotherapie oder Bestrahlung hier für die
wenigsten Patienten verfügbar sind. Erfreulicherweise geht der Eingriff in
dieser anatomisch brisanten Region ohne Beeinträchtigung des mimischen
Mundastes des Gesichtsnervs oder des Zungennervs und der Kleine ist rasch
zuhause.
In den folgenden Tagen geht das Programm insbesondere
unfallchirurgisch in die Länge. Prof. Rainer Kujat implantiert zahlreiche
Platten und nutzt für mehrere Osteosynthesen das vorhandene SIGN-Nagelsystem. Dieses Produkt
wurde als einfaches und universelles System für unterschiedliche Frakturen
langer Röhrenknochen gezielt für die Bedürfnisse von Entwicklungsländern
entwickelt. Die Hospitäler in diesen Regionen sind natürlich finanziell nicht
in der Lage für jede Fraktur ein spezielles System vorzuhalten und daher mit
diesem System in der Lage trotzdem eine Versorgung zu gewährleisten. Im Rahmen
des Aufenthalts werden ein Oberschenkel-, eine Schienbein und ein Oberarmbruch
mit dem SIGN-Nagel versorgt (http://signfracturecare.org/).
Weiterhin stehen täglich
Unterarmschaftbrüche zur operativen Versorgung mit Platten an. Man hat den
Eindruck, dass der klassische Speichenbruch handgelenksnah (distale
Radiusfraktur) hier gar nicht erst ins Krankenhaus kommt, zumindest sehen wir
nicht viele davon.
Am Mittwoch werden die Eingriffe nach der täglichen Unterarmfraktur
kleiner. Metallentfernung , Ganglion, Strecksehnennaht am Fuß nach
Axtverletzung, offene Reposition bei älterer Auskugelung des Oberarms sind in
unseren Breiten ebenfalls kleines Tagesgeschäft.
Besondere Erwähnung soll der Fall des bedauernswerten
Jean-Pierre finden, der seit einigen Wochen stationär liegt. Alle Versuche eine
Weichteildeckung des offenen Unterschenkelbruchs mit Osteomyelitis waren bisher
gescheitert. Auch die äußere Fixierung beider Unterschenkel und eines
Hautlappentransfer von einem Bein auf das andere droht zu scheitern, so dass
sich der 25jährige Patient zwei möglichen und schrecklichen Realitäten
ausgesetzt sieht. Eine mehrmonatige stationäre Behandlung zu Rettung des
Unterschenkels mit ungewissen Ausgang und gleichzeitigem Fehlen des Haupternährers
der Familie oder eine Unterschenkelamputation mit danach rasch möglicher
Entlassung. Problematisch ist bei letzterem, dass die gesetzliche Krankenversicherung
zwar die medizinische Behandlung, aber keinesfalls die Unterschenkelprothese
bezahlt. Und nun stelle man sich Jean-Pierre vor, wie er auf Gehstützen über
sein Feld läuft, nicht zur Landarbeit fähig, gleichzeitig die erforderlichen 300.000
ruandischen Franc (etwa 340 €) für eine Prothese, die ihn weitgehend
arbeitsfähig machen würde nicht aufbringen kann.
gangränöse Appendizitis mit Abdeckung durch Omentum majus und Darmverschluss im Sinne eines Strangileus |
lipomatöser Unterkiefertumor |
Hallo und vielen Dank für den tollen Artikel zu Unfallchirurgie. Meine Bekannte musste neulich in die Unfallchirurgie in Salzburg. Sie hatte sich ein Messer auf den Fuß fallen lassen.
AntwortenLöschen