Warnung vorab: Einige der unten gezeigten Bilder können auf Einige verstörend wirken (wie es so schön heisst). Da Chirurgie zentraler Inhalt unseres gesamten Aufenthalts ist sind sie für Andere aber auch sehr interessant.
Es bleibt wenig Zeit zurückzublicken, für Donnerstag haben
wir uns sechs Operationen auf das Tagesprogramm geschrieben (es wurden dann
sogar sieben). Keloide sind uns überwiegend als überschießende Narbenbildungen
bekannt. Sie treten bei Afrikanern deutlich häufiger und häufiger spontan auf.
Diese derben bindegewebigen Hautwucherungen sind kosmetisch unschön aber
ansonsten harmlos. Eine 19-jährige Frau möchte so etwas natürlich ungern 3cm
groß im Gesicht haben. Entgegen meinem vor 2,5 Jahren (im Rahmen einer blutigen
und lokalanästhetisch knappen Ohrkeloidentfernung getroffenen) Vorsatz dies
nicht mehr unbedingt operieren zu wollen, mache ich einfach das was auf dem
Plan steht. Hier ist es verständlicherweise üblich, dass die Dame das subkutane
Kortikoid zur Rezidivprophylaxe selbst beschafft und in Ampullenform mitbringt.
Ist das alles unbedingt nötig? Nein, natürlich nicht, insofern mal eine
Gemeinsamkeit zum heimischen Medizinbetrieb.
Leistenhernie und Leistenhernie allein mit scrub und anaesthetic
nurse (Deutschland idR: Operateur, Assistent, OP-Schwester, Springer, Anästhesist,
Anästesiepfleger), im minor op und wir nähern uns dem avisiertem Tageshighlight.
Der afrikanische agriculturalist
hat übrigens einen massiv ausgeprägteren M.abd.int (Beobachtung n=3) als die
deutsche Coach Potatoe, soweit nicht verwunderlich, dennoch stellt in beiden
Kulturen der Leistenbruch eine der häufigsten allgemeinchirurgischen
Behandlungen da. Dieudonne hilft Rainer derweil bei der komplizierten
Versorgung eines offenen Schienbeinbruchs mit Knochen- und Weichteildefekt
(Fixateur externe und cross tibia flap).
Wie schon irgendwo zuvor erwähnt steht noch die Versorgung einer wiedergekehrten Narbenhernie
an (vorangegangener Kaiserschnitt-> Narbenbruch -> operative Versorgung
-> Wundheilungsstörung -> ausgedehntes Rezidiv). Implantation von
Fremdmaterialien ist unter weniger als den heimisch gewohnten sterilen Kautelen
nicht unbedenklich, hier aber unumgänglich. Ein Fliegengitter statt separatem
Lüftungssystem, nur teilweise vorhandener Alkohol (ansonsten PVP-Iod im
amerikanischen Stil), aber im Rahmen der Umstände wird sonst die Infektprophylaxe
eingehalten, auch wenn die von Sr. Sabine eingeführte Errungenschaft der
Nutzung der OP-Mäntel wie vorgesehen als Wickelkittel noch nicht allseits
umgesetzt und verstanden wird. Wie Bilder bezeugen ist der dunkelgrüne
Gespenster-Look mit „offenem Rücken“ noch präsent. Es wird nach Absprache wie üblich eine
präoperative Antibiotikaprophylaxe (single shot) gegeben, ansonsten wird für meinen
allgemeinchirurgischen Anspruch (orthopaedic surgeon Rainer sieht das
naturgemäß anders) auf Sterilität geachtet, Klebetücher gibt’s natürlich nicht.
Das martialisch erscheinende Festklemmen der Tuchklemmen an der Patientenhaut
erweist sich als praktisch, sonst passsiert es rasch dass die Tücher auf der
schmierigen PVP-Iod-Haut während einer OP dreimal in den unsterilen Bereich
rutschen. Es gibt nach dem Gebet nun auch wie daheim ein Team-Time-Out mit den
relevanten Kommuniationspunkten zwischen OP-Team und Anästhesie. Nun fehlt aber
für die Versorgung der Hernie ein adäquat großes Polypropylene-Netz, so dass
aus den dutzendfach vorhandenen kleineren ein Ersatzstück gebastelt wird. Nices
Sublay, teamorientierte Chirurgie mit Dieudonne, so macht’s Spass, manche allgemeinchirurgischen
Eingriffe vermisse ich etwas in meiner aktuellen Tätigkeit.
Eine Patientin mit Subileus, Dehydratation und nach Eigenanamnese
seit 21 Jahren (der Genozid ist auch für die frühere Anamnese ein schmerzhaftes
Engramm) bestehendem raumfordernden Prozess im Unterleib kommt im reduzierten
AZ als weiterer Punkt im Dienst. Die präoperative Stabilisierung gelingt gut. Die
mediane Laparotomie muss mehrfach erweitert werden um den beinahe fußballgroßen
Ovarialtumor zu bergen. Wolfgang F.A., wenn du das liest, ich danke dir.
Geduldige Adhäsiolyse und ein souverän und vorausschauend instrumentierender
Isaka (mit Manasse der „Oldie“ der OP-Pfleger), der uns nach modernen
Erkenntnissen die PDS-Schlinge zum Faszienverschluss reicht. Leicht euphorisiert
geht es nach einem leckeren einheimischen Bier (Mützig -> ob es das im
deutschen Fachhandel gibt?), die liebe Sabine hat es aus dem nahen Dorf Tyazo
in die Missionsstation geschleust (murakoze), ins Bett.
Freitag ist das Programm ruhiger, für mich. Ein großes
Axilla-Lipom nach vorangegangener Vorbehandlung mit „traditional medicin“,
oberflächliche Ritzer eines dörflichen Heilers ohne Behandlungserfolg, wird
exzidiert, ferner ein weitere Leistenhernie mit Bassini nach Art des Hauses
versorgt, der üppig vorhandene M. abd. int. dient dieser Methode. Dieudonne
assistiert Rainer um ein paar Einblicke in die hier so wichtige Unfallchirurgie
zu erhalten. Es ist und bleibt eine Krux. Die operative Versorgung von
komplizierten und offenen Frakturen ist hier eigentlich was die Masse der
täglich eintreffenden Patienten angeht das A und O. Diese ist allerdings ohne
intraoperatives Röntgen, mit unvollständigem, knappem, nur eingeschränkt funktionsfähigem Instrumentarium, nicht
erlernbar. Rainer operiert an diesem Tag zwei Oberschenkelbrüche, einen Schlüsselbeinbruch
mit deutlicher Disloation und eine Epicondylus ulnaris-Fraktur (die auswärtigen
Vorbehandler hatten den Condylus radialis gespickt, eine Seitenverwechslung der
besonderen Art). Die jahrzehntlange Erfahrung erlaubt es ihm auch unter
widrigen Bedingungen zurechtzukommen. Für einen Newbie ist es schlicht
unmöglich, es gibt kaum einen Ansatz dies zu ändern.
Für die einheimische OP-Mannschaft ist es schwierig in den
unterschiedlichen Einflüssen aus Europa und Amerika eine klare Linie zu finden,
es wird an den Raum einer kleinen Allgemein- und Unfallchirurgie aber die
Anforderung für zusätzlich Uro, HNO, Kinder- und Viszeralchirurgie gehalten.
Die kleine Mannschaft der OP- und Anästhesiepflege bedient nebenbei noch einen
ganztägigen ambulanten und stationären Verbandsraum (Sr. Stephanie aus Illinois
arbeitet hier mit großem Engagement mit, viele kleine Eingriffe wie aufwändige
Verbandwechsel, Abszessspaltungen oder Beschneidungen sind außerhalb ärztlicher
Tätigkeit). Ebenso sind sie auch für die im gynäkologischen OP täglich
laufenden Kaiserschnitte zuständig.
Operative Hernienversorgung
Rainer macht wie immer gute Miene.
Gilbert ist das was bei uns der anästhesiologische Chefarzt wäre. Er ist diplomierter Anästhesiepfleger.
Ein jahrzehntealter zystischer Ovarialtumor
Gutartiger Fettgewebstumor (Lipom) nach stattgehabter Behandlung mit "traditional medicin"
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