Freitag 14.11. - Sonntag 16.11.2014
An unserem letzten Arbeitstag im Kibogora Hospital wird
zunächst eine 83jährige Frau mit zertrümmerten Oberschenkel operiert. Hier
werden zunächst Schrauben eingesetzt und schließlich mehrere Drähte um den
knienahen aus mehreren Teilen bestehenden Bruch zu versorgen. Eine
belastungsstabile Osteosynthese ist so leider nicht möglich, die ältere Dame
von der Perspektive auf 4 Wochen Bettruhe wenig begeistert. Letzte Dokumentationsaufgaben
werden erledigt und prä- und postoperative Röntgenbilder gesichert. Obwohl der Applecomputer
in der Radiologie über die Software
Filemaker zum drahtlosen Transfer der Röntgenbilder auf Mobilgeräte verfügt,
war es mit dem Android-Äquivalent nicht möglich eine Verbindung herzustellen,
die Bilder wurden zum Handgebrauch vom Monitor abfotografiert. Hieran sieht man
aber, dass es in mancherlei Hinsicht mit einfachen Verbesserungen (ein
Netzwerk-PC im OP-Saal, auf Station…) möglich wäre in den entscheidenden
Bereichen auf Röntgenbilder zurückzugreifen. Also auch in Kibogora müssten
eigentlich keine Röntgenfolien mehr erstellt und von A nach B getragen werden.
Nach der Mittagspause wird der Oberarmbruch einer jungen
Frau mit einem intramedullären Draht versorgt, die Implantation des vorher
angesprochenen SIGN-Nagels scheitert am engen Markraum des Oberarms in diesem
Fall. Eine in der vorangegangenen Nacht aufgenommene Verletzung stellt sich
nach Röntgen als offene Luxationsfraktur des Sprunggelenks heraus, hier war
zunächst nur ein Verband (ohne Reposition, ohne Gips) gemacht worden. Einen
derartigen Befund würde man bei uns auch zügig operativ versorgen und nicht
über das Wochenende liegen lassen, daher sind auch 10 Stunden vor Abreise ein
paar Überstunden fällig. Während der OP klingelt bei Jaqueline, der 25j.
Anästesieschwester, die die Spinalanästhesie gemacht hat mehrfach das Telefon,
der Kreissaal braucht die Dienstmannschaft (anaesthesie und scrub nurse) für
einen Kaiserschnitt. Die Versorgung des Innen- und Außenknöchelbruchs des
Sprunggelenks erfolgt mittels Platte und Drähten. Damit endet unsere operative
Tätigkeit für diesen Einsatz. Ich glaube das Steri-Team war am dankbarsten über
unsere Abreise, für sie war das rasche Wideraufbereiten der spärlichen unfallchirurgischen
Siebe ein ungekannter Stress.
Ich habe um unser Tun besser nachzuvollziehen die
entsprechenden Eingriffe im xls-Format dokumentiert. Während unserer Zeit im
Kibogora Hospital haben wir 39 Operationen (3,9/Tag) durchgeführt. Von den 39
Eingriffen waren 25 unfallchirurgisch/ am Bewegungsapparat (davon 23 von
Rainer, 2 von mir durchgeführt) und 14 allgemein oder viszeralchirurgisch (von
mir durchgeführt), hiervon 5 Laparotomien. Wir haben auf dem
unfallchirurgischen Sektor die meisten Patienten operiert, die eine dringliche
Indikation besaßen und dennoch dem nachfolgenden Team (Gerhard und Mona
Weigand) Patienten übrig gelassen. Wir haben bei allen Eingriffen insgesamt nur
zwei Drainagen eingelegt, hauptsächlich weil kaum vorhanden waren und die
wenigen uns zu lange abgelaufen und von der Sterilität zu bedenklich erschienen
(bei zwei Laparotomien haben wir jeweils einen Blasenkatheter und im anderen
Fall eine Thoraxdrainage als Bauchdrainage umfunktioniert). Der letale Verlauf
des septischen Jungen war die einzige Majorkomplikation bisher. Das
Durchschnittsalter der von uns operierten Patienten betrug 32,5 bei einer
Spannweite von 5 bis 83 Jahren. 28% der Patienten waren weiblich, entsprechend
72% männlich.
Am Nachmittag hatte ich noch schnell das in Tyazo gefertigte
traditionelle ruandische Kleid fürs Töchterchen abgeholt. Schwester Sabine ist
zwar deutlich besser als wir sozial integriert, führt nach zwei Wochen mühelos
smalltalk in der Landessprache, dennoch ist sie natürlich traurig über Rainers
und meine Abreise und von Heimweh geplagt. Sie wird noch zwei Wochen bleiben
und mit dem nächsten Team zurückkehren.
Am Samstag stehen wir um 4 Uhr auf, um 5 Uhr ist die Abfahrt
nach Osten Richtung Kigali, wir erreichen die Hauptstadt nach etwa 6 Stunden
Fahrzeit. Die voranschreitenden Straßenbauarbeiten werden bald eine deutlich
kürzere nördliche Verbindung möglich machen, die die Fahrzeit dann wohl auf
etwa 3-4h reduziert. OP-Pfleger Manasse und sein Vater nutzen die Gelegenheit
und begleiten uns zu einem 2tägigen Verwandtenbesuch, die Taschen und Koffer
werden auf der Ladefläche des Pickups verstaut, das erste Drittel fährt noch
eine Schwester aus einem nahegelegenen Healthcenter auf der Ladefläche mit. Als
es ungefähr nach der Hälfte regnet, werden auch die Taschen in den Innenraum
verbracht und Rainer bekommt ein hautnahes Gefühl von der beengten Gemütlichkeit
der afrikanischen Überlandfahrt, ich darf ja als „the biggest“ vorne sitzen.
Das „transfer meeting“ in der Kaffeebar des Kigali International beinhaltet
neben der Übergabe an Gerhard Weigand (mit dem ich zusammen in 2012 in Kibogora
war) und seine Tochter Mona (Ärztin in chirurgischer Weiterbildung) auch ein
Treffen mit Dr. Joachim Drechsel
(Vorsitzender des Deutschen Gemeinschaft-Diakonieverbands) , Sheila
Etherington (die Kibogora seit Jahrzehnten im Auftrag der methodistischen Mission
betreut) und Julie Yerger (als Kinderkrankenschwester ebenfalls jahrelang über
die methodistische Mission mit Kibogora verbunden). Es werden hier kompakt die
Eindrücke und Hauptprobleme aus unserer Sicht angesprochen.
Nach den üblichen Sicherheitskontrollen fliegen wir auf der
gleichen Route wie auf dem Hinflug über die große Drehscheibe zwischen Afrika,
Europa und Asien Addis Abeba (wo wir noch 4h Aufenthalt haben). Erst hier finde
ich soviel Abstand um mich wieder mit dem Buch „Ego-Spiel des Lebens“ und den
Gedanken von Frank Schirrmacher zu befassen. Der Mix aus unterschiedlichen
Kulturen, Reisezielen und Motivationen
macht den Transitbereich des Addis Abeba Bole International zu einem
sehr interessanten Ort. Sonntag um 6.45 Uhr landen wir fast pünktlich in Frankfurt und um 11
Uhr sitze ich am heimischen Frühstückstisch in Iserlohn.